Lehrerin im Vorbereitungsdienst mit Diabetes – Teil 2

Eigentlich müsste ich noch mehr machen. Eigentlich müsste ich noch mehr optimieren. Es ist nie genug. Aber auch die Erkenntnis: Sei nicht so streng mit dir selbst.

Moin!

Die ersten 100 Tage im Schulsystem liegen hinter mir. Damit auch erste Erfolge, Rückschläge, Ernüchterungen und verpasste Stunden Bewegungszeit. Aber es wird besser.

Am Anfang konnte ich meinen Diabetes besser beherrschen, da steckt momentan sehr viel Arbeit drin, leider noch nicht so viele Erfolge. Dafür kann ich mittlerweile schon schneller Unterricht vorbereiten und besser mal abschalten.

Bin ich so leistungsfähig wie andere?

Diese Frage stelle ich mir gerade sehr oft. Ich möchte mindestens genauso leistungsfähig sein wie andere, ich möchte zeigen, was ich als Mensch mit Diabetes alles kann. Leider führt das dazu, dass ich mir selbst nicht eingestehen kann, wie anstrengend das Leben mit Diabetes ist und vor allem gerade aktuell ist. Seit kurzem loope ich und das ist eine komplette Veränderung von allem, was vorher galt. Meine Umstellungen von CT auf ICT, von ICT auf Pumpe haben meine Eltern aufgefangen (logisch, ich war viel zu klein und trage die Pumpe seit ich 12 bin). Mein CGM brachte keine Mehrarbeit mit sich, da es „nur“ das bestätigt hat, was ich vorher schon vermutet habe und zusätzlich noch piepste, wenn mein Zucker in niedrige Bereiche wanderte. Der Loop dagegen ist vermutlich mit der Umstellung auf die Pumpe zu vergleichen und es ist wie immer im Diabetes: Eigentlich müsste ich noch mehr machen. Eigentlich müsste ich noch mehr optimieren. Es ist nie genug.

Das Gefühl habe ich gerade auch im Referendariat. Als Lehrerin wiederum wird mich das ebenso begleiten: Eigentlich könnte ich das noch verbessern, noch differenzieren, individualisieren.

„Es ist anstrengend, aber…“

Ich beneide gerade die Kollegen im Ref mit Kind. Bei Kindern reagiert das soziale Umfeld immer mit „Deine Priorität ist dein Kind und ja, das ist manchmal ganz schön anstrengend.“ Ich habe auch das Gefühl, dass die Kollegen mit Kind auch eher sagen können „Ja, es ist anstrengend“. Mir fällt das bis heute schwer. Ich kann mittlerweile sagen, dass der Diabetes ein 24 Stunden Job ist, doch bei mir im Kopf höre ich immer einen Gegenspieler: Ja, und trotzdem musst du stark sein, du musst dich eben mal zusammenreißen, du musst das jetzt schaffen. Wenn du dich nur mehr kümmern würdest, würde das auch klappen. Andere können das ja auch.

Meine Freunde und TypFler wissen das, wie sehr mich das mitprägt. Das ist auch sehr gut so. Durch meinen Umzug habe ich hier aber meine vertrauten Personen nicht um mich herum. So bleiben diese Gedanken also in meinem Kopf.

Ich stelle gerade schon fest, dass ich bemerke, wie anstrengend es ist, sich gleichzeitig um Diabetes und den sowieso anstrengenden Berufseinstieg zu kümmern. Ich habe heute von meiner Mama gehört:

„Sei nicht so streng zu dir selbst. Du stellst gerade deine komplette Therapie um, ich kann da schon gar nicht mehr mitreden. Dazu Umzug, Ref….was willst du denn noch alles auf einmal machen? Du machst das schon. Du musst das*  in deinem Kopf akzeptieren, die anderen sind schei*egal.“ [*das es anstrengend ist]

Das ist wohl der Punkt: Ich für mich muss da an mir arbeiten, mir zu sagen, dass ich manchmal erschlagen bin UND das in Ordnung ist. Wenn die Nacht blutzuckermäßig nur so semi-gut lief, der Tag im Wertechaos durch zu vieles Sitzen war (Seminartage sind laaaaang) und gleichzeitig der Input von allen Seiten kommt. Die anderen Mit-LIVs sind auch erschlagen. Ich habe nur immer Angst (vor allen in meinem eigenen Kopf!!!), dass ich das Bild eines Menschen mit Diabetes vermittle, das ich so gar nicht sein will. Der Mensch, der immer sagt „ich kann nicht, ich brauche eine Pause, weil ich habe ja Diabetes“.  Einfach mal stehen lassen zu können, dass es gerade anstrengend ist und ich vielleicht auch eine kleine Pause mehr brauche als andere. Ohne das zu relativieren, à la „aber es geht mir ja gut“.

Ich lebe mit Diabetes Typ1.

Mein Diabetes ist mein Kind, das mal sehr brav ist, mal nachts Albträume hat und mal den Supermarkt leer schreit. Das ist anstrengend und es braucht Zeit. Falls du hier schon länger mitliest, weißt du hoffentlich, dass ich kein Problem damit habe, Diabetes zu haben. Ich leide auch nicht an dieser Krankheit. Ich lebe mit Diabetes Typ1. Leben ist eben manchmal anstrengend. Jeder Mensch hat sein Päckchen zu tragen. Ich pilgere äußerst gerne mit meinem Rucksack auf dem Rücken durch die Gegend, da passt das Diabetespäckchen mit meinen anderen Gedanken auch rein 😉 Ich bin nicht schwach, wenn ich mal den Gedanken zulasse, dass ich wirklich einen zweiten Job habe.

Ich muss mir selbst das sagen, was ich anderen Menschen auch sagen würde: Es ist ok, das anstrengend zu finden.

 

Da mich das Thema gerade sehr beschäftigt, würde ich mich wirklich freuen, wenn du mich an deinen Gedanken teilhaben lässt, falls du dich auch gerade damit auseinandersetzt.

Viele Grüße, beate_putzt

 

 


Teil 1 von Lehrerin im Vorbereitungsdienst mit Diabetes findest du hier.

2 Gedanken zu „Lehrerin im Vorbereitungsdienst mit Diabetes – Teil 2“

  1. Liebe Beate, WOW! Dein Artikel kommt gerade zur richtigen Zeit. Ich kann dich so gut verstehen! Mir geht es wirklich genauso. Seit 7 Jahren bin ich nun in der freien Wirtschaft, seit knapp zwei Jahren in Teilzeit weil ich parallel einen Zweitjob habe. Meinen Diabetes. Ich konnte einfach nicht mehr. Man wird belächelt, aber verstehen tun es leider die wenigsten. Ein Kind wird akzeptiert, aber Diabetes? Da ist man doch selbst schuld weil man zu viel Süßigkeiten gegessen hat oder? Das Schwierigste ist es selbst zu akzeptieren, dass man so wie man ist gut genug ist und vor allem genug leistet. Sich nicht vergleichen. Und dennoch denke ich immer wieder „was denken nur die anderen über mich? Ich bin nicht so gut wie die anderen. Ich müsste doch mehr erreichen. Ich sollte müsste und – “ Zack! Dann bin ich wieder völlig überfordert. Wenn das Leben zum Dauerstress wird und die erhöhte Grundanspannung nicht mehr weg geht ist es höchste Zeit was zu ändern. Zuerst sollte man selbst seine Grenzen und Möglichkeiten akzeptieren, ohne sie zu bewerten. Dann hilft Transparent, anderen sagen dass Diabetes Typ 1 eben DOCH ein 24h Job ist. Und gegebenenfalls muss man sein Leben so anpassen, dass es zum Diabetes passt. Das ist kein Versagen, sondern saustark weil man sich für die eigene Gesundheit entschieden hat.

    1. Danke für dein Worte und deine Erfahrungen – das macht Mut. Ich denke, bei mir ist die erhöhte Grundanspannung temporär. Ich hatte mit Studium und wirklich vielen Stunden Nebenjob keine Probleme. Eventuell fällt mir jetzt nur mehr auf, dass ich in dieser Ausbildungsphase einfach mehr auf mich achten muss UND will als andere, stoffwechselgesunde Menschen. Meine Gesundheit ist auch für mich Priorität. Und du hast Recht, wir sind saustark. <3

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