Aufreger der Woche: Behindert werden vs behindert sein

Ich studiere Lehramt für Förderpädagogik. Mit Diabetes Typ-1. Ohne Behindertenausweis.

Irgendwann möchte ich Lehrerin sein, am liebsten verbeamtet. Und ausnahmsweise muss ich sagen: TROTZ Diabetes und nicht MIT Diabetes.

Bei Diabetes ist der Behindertenausweis immer wieder Diskussionsthema. Das soll jeder für sich selbst entscheiden. Meiner Meinung nach ist der Diabetes nichts, was mich behindert. Er fordert Aufmerksamkeit, ich muss mich kümmern und selbst wenn ich mich kümmere, zickt er trotzdem oft. Trotzdem möchte ich aus verschiedenen Gründen keinen Behindertenausweis (z.B. wegen der Versicherung).

Von rechtlicher Seite steht mir dieser zu, wenn ich ihn beantrage. Meine Eltern haben sich damals dagegen entschieden und ich bisher auch. Würde ich ihn beantragen, ist als insulinpflichtiger Diabetiker zwischen 30 – 50% als Behinderungsgrad zu rechnen.

Die Rechtslage in meinem Bundesland sieht zur Zeit leider so aus: wenn ich mich nicht behindern lasse, kann ich nicht verbeamtet werden. Dann bin ich nur krank.

Wenn ich einen Ausweis habe, brauche ich mindestens 30%. Sonst bin ich nicht behindert genug. Dann wäre ich ebenfalls nur krank.

Momentan warte ich noch ab und beantrage den Ausweis nicht – habe ich ihn einmal, hab ich ihn immer…auch wenn er ausläuft (man muss ihn regelmäßig neu beantragen: ja, ich lasse mich weiterhin behindern!): der Vermerk ist noch da.

 

Manch einem mögen diese Zeilen abgeschmackt vorkommen. Ich arbeite im Bereich mit und für Menschen mit Behinderung. Nicht nur deshalb sehe ich diesen Ausweis sehr kritisch. Ich verstehe, dass man dadurch Nachteilsausgleich (nicht Vorteile!) erhält. Die Vergabe der Prozente erscheint mir leider oft willkürlich, genauso wie die Entscheidung über ein BVermerk : mit Begleitung.

Gerade im Zuge der UN-Behindertenrechtskonvention wünsche ich mir eine Überarbeitung dieser Ausweise…vielleicht sagt dem einen oder anderen das „neue“ Modell ( http://www.pflegewiki.de/wiki/ICF ) etwas: der Mensch ist mehr als seine Behinderung. Behinderung kann auch durch Kontexte entstehen. D.h. konkret: der Rollstuhlfahrer ist nicht dadurch behindert, dass er im Rollstuhl sitzt – sondern vor allem durch fehlende barrierefreie Zugänge. Der Blinde nicht dadurch, dass er blind ist, sondern dass ihm im Alltag barrierefreie Zugänge z.B. an den Einkaufszetteln (Blindenschrift?!) fehlen.

Heißt auch für mich als Diabetiker: ich bin nicht behindert, ich werde behindert! Durch ebendiese Gesetze, durch die geringe Übernahme von moderner Technik (CGM, FGM,…) und auch durch schlechte Ärzte, die mich nicht in einer selbstbestimmten Therapie unterstützen wollen/können.

 

Ich bin gespannt, was die Zukunft bringt. Hoffentlich ein faires Verfahren, denn:

 

[…]Niemand darf aufgrund seiner Behinderung benachteilig werden. (Artikel 3, Absatz 3, GG)

 

 

„Voll behindert“ , diese Rechtslage! beate_putzt

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