Am 1.9. startete mein Flieger Richtung Spanien zum Abenteuer Pilgerreise. Warum ich das ganze in Angriff genommen habe, habe ich hier beschrieben und zu meinen Vorbereitungen gerade in Bezug auf den Diabetes könnt ihr hier etwas finden.
Pilgern? Sicher nochmals!
Ich bin wieder zurück und mit mir unglaublich viele Erfahrungen und Erinnerungen, wie das halt so nach einem Urlaub ist. Was kann ich nun rückblickend sagen?
Dank meiner guten Vorbereitung war ich auf fast alles gerüstet – nicht rechnen konnte ich damit, dass in Nordspanien auch mit Hagel, Windböen und Regen ähnlich der Nordsee zu kämpfen ist, wie ihn der stärkste Seebär kaum aushält. Doch auch an diesen Tagen war ich gut gelaunt.
„On the camino there’s a solution for everything – the camino gives you what you need.“
Dieser Satz ist mir gleich an meinem ersten Lauftag begegnet und es stimmt! Klingt nach philosophischen Blablabla, trotzdem war ich nie einsam oder überfordert mit etwas. Nach 600 gelaufenen Kilometern kann ich sagen: ich kann mich auf mich und meinen Körper verlassen. Einsam war ich nie; alleine nur, wenn ich es wollte. Ich habe unglaublich viele nette, positive, warmherzige Menschen getroffen und noch mehr i Rückmeldung erhalten. Diese Erfahrungen habe ich im Alltag auch; jedoch gehen diese dann schnell unter. Dort sind die positiven Wahrnehmungen so häufig und es tut unfassbar gut. Seit ich in Deutschland bin, habe ich auch viel weniger negative Gedanken und sehe alles entspannter.
Neid? Falscher Ehrgeiz? Leistungsdruck?
Besonders gut gefallen hat mir, dass keiner auf andere neidisch ist (bis auf wenige Ausnahmen, aber Idioten gibt’s ja überall ;-)). Jeder macht seinen persönlichen Camino mit seinem eigenen Gepäck. Selten habe ich so viel Hilfsbereitschaft erlebt. Ich erlebte stärker als sonst das Gefühl von what goes around comes back around.
Wenn du 10km läufst, ist es ok. Wenn du 40km läufst, ist es auch ok. Hast du Schmerzen oder auch einfach einen super Tag ohne Probleme – auch ok. Im Gegensatz zu Zuhause wird hier nicht nach Leistung beurteilt, da jeder Hoch- und Tiefphasen hat und sein Bestes gibt. Das hat mir unglaublich viel gebracht und mich wieder an meine Yogapraxis „off the mat“ erinnert.
Ernährung, Kosten, gelaufene km/Tag
Spannend war meine Ernährung zu dieser Zeit. Morgens vorm Laufen gab es meistens Müsli mit Milch und Obst. Nach einigen Kilometern der erste Kaffee mit einem süßen Teilchen oder einem belegten Sandwich – in Spanien ist es üblich, einen Kaffee mit einem Süßteil zum Frühstück zu essen. Mal ganz nett, auf Dauer aber nichts für mich. Da mich ein großes Mittagessen zu sehr „geschwächt“ hätte, habe ich zwischendurch immer Obst und Kekse gegessen. Abends dann was gekochtes, Salat oder einfach belegte Brote. Alles in allem habe ich geschätzt 4.000kcal pro Tag zu mir genommen und die waren auch notwendig! Leider ist es sehr schwer, sich in Spanien so wie gewohnt zu ernähren und vor allem der ganze Essensrhythmus war durcheinander, sodass ich mich jetzt immer noch umstellen muss. Leider brauche ich keine 4.000kcal mehr am Tag… 😉
Meine Vorkalkulation von 20€ pro Tag sind mehr oder weniger hingekommen. Gegen Ende hin habe ich mehr Geld gebraucht, da vor allem die Herbergen teurer geworden sind.
Pro Tag bin ich je nachdem ca 30km gelaufen. Natürlich variiert das nach gesundheitlichem Empfinden und auch der Strecke – gerade Höhenmeter können fies sein. Trotzdem muss ich sagen, dass es nicht so anstrengend war wie gedacht. Abends war ich erschöpft, selten aber zu gar nichts mehr zu gebrauchen. Insgesamt habe ich eine Distanz von 600km (Burgos – Santiago – Finisterre) zurückgelegt.
Fazit
Ich werde definitiv nochmal pilgern gehen! Aus diesem Grund empfehle ich jedem, der gerne läuft und keine allzu großen Luxusansprüche hat, eine Pilgerreise. Auch wenn man im Gegensatz zu mir keine religiösen Mit-Motive hat: das macht nichts. Jeder kann sich das mitnehmen, was er braucht und es herrscht kein Zwang zu irgendetwas.
Die Landschaft auf dem camino frances (der bekannteste Jakobsweg aus Frankreich kommend) ist wahnsinnig abwechslungsreich, die Leute sind toll und ja, der Camino gibt dir das, was du brauchst. 🙂 Ich spreche kein spanisch, jedoch fließend englisch und recht gut französisch…damit kam ich gut zurecht. Die Spanier sprechen in der Regel keine weitere Sprache, sind aber sehr sehr freundlich und irgendwie hat’s immer geklappt.
Einen Kritikpunkt muss es aber auch geben und es gibt sogar zwei: die spanische Siesta hat mich ziemlich genervt, da sie mich vom einkaufen oder essen abgehalten hat. Verhungert bin ich dennoch nicht. Außerdem ist die Straßenbeschilderung (nicht die Pilgerzeichen) sehr schlecht und oft mit spanischem Fließtext über mehrere Zeilen versehen…ich bin zum Glück überall sicher angekommen.
Alles in allem kann ich nur sagen: beate_putzt wünscht euch einen ¡buen camino! (auch im (Lebens-)Alltag) und bei Fragen meldet euch gern.