beate_putzt im Interview: Diabetes Typ1, wie geht das eigentlich? [Gastbeitrag]

Eine alte Schulfreundin hat mich im Rahmen ihrer Ausbildung interviewt: Diabetes Typ1, wie geht das eigentlich?

Dina und ich waren zusammen in einer Klasse, haben Lehrkräfte geärgert, gesungen, gelacht und manchmal war auch mein Diabetes ein Thema. Und so freue ich mich besonders, dass Dina im Rahmen ihrer Ausbildung an mich gedacht hat, als sie das Thema Diabetes Typ1 vorstellen sollte.

Dina

Interview MIT beate_putzt: Diabetes Typ 1?! Wie geht das eigentlich?

Wann hast du erfahren, dass du Diabetes hast?

Nach einem Magen-Darm-Virus ging es mir lange sehr schlecht. Im August ’94 im Alter von 3,5Jahren kam dann die Diagnose. Abgemagert, dehydriert und kurz vorm diabetischen Koma kam ich ins Krankenhaus.

Wie wurde es bei dir behandelt? Spritzen oder gleich Pumpe?

In den ersten Jahren nach der CT  mit Spritze – die Konventionelle Therapie mit festgelegten Mahlzeiten. Insgesamt sehr unflexibel. Dann kam die ICT, die intensivierte Insulintherapie. Damit durfte ich flexibler leben, spric vor jeder Mahlzeit entscheiden, wie viel ich essen mochte. Insgesamt von 1994-2002 Spritztherapie mit verschiedenen Insulinen. Seit 2002 hänge ich am Schlauch meiner Insulinpumpe. 🙂

Worauf mussten deine Eltern besonders achten?

Am Anfang gab es zum Beispiel noch Diabetikerkuchen. Den mussten sie mir für Feste einpacken. Dann waren gerade die ersten Jahre feste Mahlzeitentermine nötig, die eingehalten werden mussten. Meine Eltern mussten immer meine Ausrüstung mitnehmen und mich mit meinem Diabetes sehr gut kennenlernen. Unterzuckerungen kamen bei mir oft aus heiterem Himmel.

Mussten deine Eltern deine Ernährung stark umstellen?

Zu Beginn wie gesagt ja. Zum satt werden gab es oft Rohkost. Wenn ich keinen Hunger mehr hatte, gab es Saft. Später – und das auch bis heute – war es dank moderner Therapie möglich, wie ein Stoffwechselgesunder zu essen. Dabei gilt es, den Kohlenhydratanteil, den Einfluss von Fett- und Protein zu beachten UND richtig zu berechnen UND für alles dann richtig zu spritzen. Da beispielsweise eine Cola meine Blutzuckerkurve stark verändert und für mich schwer zu berechnen ist, greife ich heute noch bei Getränken auf zuckerfreie Alternativen zurück.

Gab es Schwierigkeiten, in einen Kindergarten zu gehen?

Ja. Meine Eltern musste mit den Erzieherinnen kämpfen. Ich kam schließlich in die Gruppe der Leiterin, die sich das zutraute. Nur unter der Auflage, dass meine Eltern in Anrufbereitschaft waren. Ich konnte  zu dem Zeitpunkt bereits selbst messen, das Insulin war vom Frühstück noch vorhanden. Zur Pause hatte ich ein vorbereitetes Tupperdöschen mit, in dem die berechneten Leckereien waren.

Wurde das Personal extra geschult?

Das Personal wurde von meinen Eltern geschult, es gab auch eine Infobroschüre. Zu betonen ist, dass das Personal nicht in meine Therapie eingegriffen hat. Bei Unklarheiten habe ich mit meinen Eltern telefoniert und die Therapieentscheidung danach getroffen oder sie kamen vorbei.

Wie war es im Grundschulalltag?

Im Gurndschulalltag war es ähnlich wie im Kindergarten. Nur, dass ich schon mehr Entscheidung selbst treffen konnte. War ich im Schulsport unterzuckert, durfte ich eine Pause machen.

Hattest du Schulungen bekommen oder warst du in einer Kur?

Die Menge an ambulanten und stationären Schulungen und Diabetesfreizeiten kann ich gar nicht aufzählen. Zum Glück! Durch das Engagement meiner Eltern weiß ich sehr viel. Die Schulungen waren immmer geplant. Einen Krankenhausaufenthalt durch den Diabetes als Krise hatte ich glücklicherweise noch nie.

Wie würde es ablaufen bei einer Schwangerschaft?

Eine Schwangerschaft muss gut geplant sein. Idealerweise sollten die Werte vorher schon im optimalen Bereich liegen. Während der Schwangerschaft sowieso. Dabei hilfreich sind neben der Motivation der Frau auch die Hormone, die ausnahmsweise mal für eine stabilere Stoffwechsellage sorgen. Die Betreuung erfolgt in Absprache mit dem Diabetesteam und den Frauenärzten.

Was hast du alles in deinem Notfallset?

Traubenzucker, ein Saftpäckchen, ein Katheter (Zugang zum Körper der Insulinpumpe). Beim Sport noch einen Müsliriegel.

[Interviewfragen von Dina]

 

Ich fand die Fragen sehr spannend und würde mich freuen, auch von dir etwas dazu zu hören. Ob nur zu einer oder zu jeder Frage, wie du magst. Gerne auch als Gastbeitrag hier bei mir auf dem Blog.

beate_putzt für Aufklärung

REISEN ALS TYP F’LER – Oder: „Wir haben viel zu viel Gepäck“ [GASTBEITRAG]

Heute kommt meine Schwester zu Wort, die über ihre Erfahrungen als Typ F’lerin unseres Urlaubs berichtet.

Kurzbeschreibung: Meine jüngere Schwester liebt Kaffee, hat Angst zu verhungern und packte deshalb trotz der Angst, zu wenig Unterhosen mitnehmen zu können, 1 kg Nudeln mit zwei Gläsern Pesto ein.

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Seit neustem weiß ich, dass man mich als Schwester einer Typ 1 Diabetikerin Typ Fler nennt. Was erst einmal neutral klingt, kann im Outdoorurlaub schnell zu einer Herausforderung werden.

Packen und Planen als Typ F’ler

Eigentlich rechnete ich bei der Urlaubsplanung nicht mit Besonderheiten, die Erkrankung meiner Schwester vergesse ich im Alltag sehr oft. Bis wir anfingen, für Schweden zu packen. Fast schon hysterisch bekam ich Dinge zu hören wie: „Die Jacke brauchst du nicht, du hast doch schon die andere.“ „Nimm nicht so viele Unterhosen mit, du musst doch noch etwas von meinen Diabetessachen einpacken.“

Mit überschaubar gefüllten Rucksäcken – in die, welch Wunder, sogar noch unsere Schlafsäcke passten– standen wir am Busparkplatz und warteten auf die anderen Mitfahrer. Die einzige Sorge meiner Schwester: „ Alle denken jetzt, ich könnte nicht packen, dabei habe ich fast nur Diabetessachen dabei!“

Schlussendlich endete es, wie es kommen musste: Wir hatten am wenigsten Gepäck von allen. Inklusive aller Dinge, die ein Diabetiker zusätzlich braucht.

Was kann man daraus als Typ Fler lernen?

Erstens: Nimm nie zu viele Unterhosen mit, wenn du mit einem Diabetiker in Outdoorurlaub fährst.

Zweitens: Achte immer darauf, dass der Diabetiker keinen Unterzucker bekommt, so hast du mehr Süßigkeiten zum Naschen für dich!

Blutzucker messen auf dem Steg

Drittens: Falls du planst, beim Kanu fahren zu kentern, bist du über jedes Gepäckstück, dass dir dein mitreisender Diabetiker verboten hat, froh!

Aber vor allem: Wenn du gerne einen lustigen, erlebnisreichen, ab und an panischen Urlaub verbringen möchtest, verreise unbedingt mit beate_putzt!

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