Eine Sache, auf die ich gerne verzichten würde, sind Unterzuckerungen. Sie sind fies, kommen oft schnell, aus heiterem Himmel und lassen mich teilweise handlungsunfähig werden. Dieser Beitrag befasst sich hauptsächlich mit meinen Erlebnissen bei schweren Unterzuckerungen, die ich sehr selten habe. Eine Unterzuckerung ist, wenn der Körper zu viel Insulin im Verhältnis zu zu wenig Zucker hat. Auslösende Faktoren können z.B. eine falsch berechnete Nahrung, Sport, unvorhergesehene Bewegung, eine zu hohe Insulindosis, einiges weitere oder verschiedene Faktoren zusammen sein.
Anzeichen einer Unterzuckerung
Nicht jeder Überschuss an Insulin führt zu schweren Unterzuckerungen – zum Glück! Die Außenwahrnehmung kann sich dabei beträchtlich von meiner eigenen Wahrnehmung während und nach einer (schweren) Unterzuckerung unterscheiden. Anzeichen für eine Unterzuckerungen sind bei mir Unkonzentriertheit, extreme Stimmungsschwankungen, Störungen beim Laufen und Sprechen, verlangsamte Bewegungs- und Sprachabläufe, lallen, zitternde Hände, Blässe, Müdigkeit, Heißhunger und im schlimmsten Fall: Krämpfe, die denen eines Epileptikers ähneln. Es können ein oder mehrere Anzeichen auftreten.
Das Problem bei leichten wie auch bei schweren Unterzuckerungen ist, dass es für jemanden, der mich nicht so gut kennt, sehr schwer ist, diese zu erkennen. Insgesamt kann ich diese Personen an einer Hand abzählen und alle außer einer gehören zu meiner Familie. Viele fragen sich, warum ich mich so komisch verhalte; kombinieren das aber in diesem Zusammenhang nicht mit Unterzuckerungen. Das soll jetzt nicht so klingen, als hätte ich ständig Unterzuckerungen! Trotzdem kann es mal passieren, dass ich in eine leichte Hypo komme, aus der ich mir schnell und einfach selbst helfen kann, die aber mein Gegenüber zwecks meines Verhaltens etwas irritieren kann.
Ich arbeite mit Menschen, von denen einige Epilepsie haben. Teilweise seit Jahren anfallfrei. Aber: Ich weiß, was die Anzeichen für einen Anfall sind, wo die Notfallmedikation ist, wie sie zu geben ist – einfach was zu tun wäre. So sehe ich das mit dem Diabetes: Vorsorge ist besser als Nachsorge. Im Falle einer Unterzuckerung: gebt dem Affen Zucker! D.h. entweder ich versorge mich selbst oder bin im Extremfall auf Fremdhilfe angewiesen. Wie gesagt, äußerst selten, kann aber passieren.
Die Notfall-Glukagon-Spritze
Ich habe meiner WG neulich die Notfall-Glukagon-Spritze erklärt: Wann könnt ihr sie geben und wie ist sie zu geben. Die Glukagon-Spritze regt die Leber zur körpereigenen Glucose-Ausschüttung an, vereinfacht ausgedrückt. Zum Glück habe ich mich hinterher mit meiner Mama unterhalten, denn mir waren einige Faktoren über mich und schwere Unterzuckerungen nicht bewusst. In meinem Leben habe ich die Notfallspritze zweimal gebraucht – damals war ich in der Pubertät und der ganze Körper im Umbruch. Zu dieser Zeit habe ich auch meines Empfindens nach häufiger gekrampft. In meiner Wahrnehmung war ich zur Gabe der Notfallspritze auch ohnmächtig. Richtig ist: Ich habe so stark gekrampft, geschrien und geschlagen und war zum trinken nicht mehr in der Lage. Deshalb habe ich die Spritze bekommen. Für mich waren diese Krämpfe so einprägend, dass ich dachte, ich hätte einige davon gehabt. Dem ist nicht so, die könne man wohl an einer Hand abzählen.
Wie fühlt sich eine (schwere) Unterzuckerung an?
Oft können sich andere Personen nicht vorstellen, was es heißt, eine schwere Unterzuckerung zu erleben. Von außen ist die Person irgendwie ANDERS. Eventuell verbunden mit Zuckungen oder Krämpfen, eventuell mit Verhaltensänderungen. Bei leichten Unterzuckerungen fühle ich mich zu blöd für diese Welt. Bei schweren Unterzuckerungen ist das etwas komplizierter: Für mich ist alles wirr und verschwommen, ich kann keine klaren Gedanken fassen. Manchmal gelingt mir das sogar, aber mein Körper gehorcht meinen Befehlen nicht mehr. Ich bin extrem lichtempfindlich, habe Schweißausbrüche, bin emotional angreifbar, und hinterher oft von Kopfschmerzen bis hin zu Migräne geplagt. Als Kind habe ich oft flackernde Lichter gesehen, die stärker waren, wenn das Licht an war. D.h. wenn ich krampfe: Licht dämpfen und nicht festhalten. Die Krämpfe gehen weg, wenn wieder genug Zucker im Blut ist. Hinterher weiß ich oft gar nichts mehr und muss fragen, was ich gemacht habe.
Keine Angst, diese schweren Unterzuckerungen sind äußerst selten (und passieren mir leider in 99% der Fälle nachts). Trotzdem können sie auftreten und es ist wichtig, dass mein näheres Umfeld weiß, wie es im Notfall zu reagieren hat. Oft geht’s auch einfach schneller, wenn mir jemand bei einer leichten Unterzuckerung hilft, die schei* Verpackung der Traubenzucker oder Saftpäckchen aufzumachen. Mit zittrigen Händen kann das etwas komplizierter sein – ich als gut konditionierte Diabetikern kann das aber ganz gut. 😛
Deshalb plädiere ich an alle Diabetiker: klärt euer Umfeld auf – wie verhaltet ihr euch? Was ist in Notfallsituationen zu tun? Sonst entsteht schnell Überforderung und Unsicherheit. Es ist äußerst selten, dass ich auf Fremdhilfe angewiesen bin – trotzdem ist es meiner Meinung nach besser, für den Notfall aufzuklären und auch ein Bewusstsein für Verhaltensänderungen bei leichten Unterzuckerungen zu schaffen. Gerade in Filmen wird bei Unterzuckerungen oft nach Insulin gerufen und auch ich wurde schon x-Mal gefragt: „Ah, da musst du dann spritzen?“ Genau dieses Halbwissen gilt es zu bekämpfen.
Zusammengefasst „Verhalten bei Unterzuckerungen“: Falls Unterzuckerungen auftreten, bekämpfe ich diese mit fettfreien, zuckerhaltigen Lebensmitteln wie Cola, Saft, Banane, etc. und bei körperlicher Aktivität lege ich eine Pause ein. Im Notfall weiß ich, dass mein näheres soziales Umfeld weiß, was zu tun ist. Die „Diabetes-Schulung“ frische ich bei meinen Freunden regelmäßig auf. Und so können alle Beteiligten beruhigt miteinander leben. 😉
Viele Grüße – beate_putzt mit Saftpäckchen